Lieber Kalle W.,
die kurze Antwort heißt für mich: In die DEV-Liste hat sich wahrscheinlich ein Fehler eingeschlichen - und beim Wagen 19 handelt es sich ehemals um den Wagen 10 [2. Besetzung] der BK.
Aber ganz sicher läßt sich das nicht sagen, da die Unterlagen zu den ostwestfälischen Weyer-Wagen leider sehr lückenhaft sind. Dazu kommt, dass die Wagen äußerlich auf den ersten Blick völlig gleich erscheinen. Erst beim Nachmessen und beim Blick in die Inventarlisten fallen die vielen kleinen Unterschiede in der Ausführung auf. Sollte sich irgendwo beim DEV das Betriebsbuch dieses Wagens befinden, käme natürlich richtig Musik in die Sache ;-))
Ich stelle mal zusammen, nach welchen Unterlagen und Schlußfolgerungen wir zu unseren Lebensläufen (bei inselbahn.de = schmalspur-ostwestfalen.de) gekommen sind:
Beim DEV vorhanden ist ein Weyer-Wagen mit folgenden Grundabmessungen (ermittelt am 21.10.1998 am Fahrzeug durch Dennis Mellerowitz): Länge über Puffer: 11,42 m, Achsstand: 7,7 m, Drehzapfenabstand: 6,45 m, Drehgestell-Achsstand: 1,25 m. Der Wagen hat ein Dach mit niedriger Bauform.
Auf diesem Bild (Foto: Iskov, Archiv Kleinbahnmuseum Enger, 1954) sind beide Dachformen gut zu erkennen: Vorne Wagen BK 12 mit hoher Dachform, dahinter ein Wagen mit niedriger Dachform (wie bei Wagen DEV 19).
Wagen 19 trug auf Borkum die Nummer 100 (beide Nummern sind am Wagen angeschrieben, hier ist die Umzeichnung eindeutig). Für den Wagen Borkum 100 haben wir die Umzeichnung aus Wagen "BK 10" von Herrn Schweers (Die Borkumer Kleinbahn und die Schiffe der AG Ems, S. 155) übernommen. Er hat diese Umzeichnung aus den Akten der Borkumer Kleinbahn übertragen - ich halte ihn als Quelle für seriös (Ergänzung: In der aktuellen Ausgabe aus dem Jahr 2007 fehlen auf Seite 159 die genauen Zuordnungen).
Wagen 10 gehörte zu den ersten 5 Wagen, die die Bielefelder Kreisbahnen direkt an die Borkumer Kleinbahnen am 28.12.1955 für den Verkaufspreis von 20.997,00 DM (Stückpreis: 4199,40 DM) verkaufte. Der übrig gebliebene Wagen 8 kam am 23.05.1956 (als "Schnäppchen für 1470,00 DM) dazu - damit waren die 6 nach Borkum verkauften Wagen komplett. Quelle: Aufstellung der Kleinbahndirektion in Bielefeld für den Landkreis Bielefeld vom 18.12.1956.
Verfolgt man nun den Wagen 10 bei den Bielefelder Kreisbahnen weiter, so ergibt sich folgendes: Für den originalen Bielefelder Wagen 10 finden sich in der Inventarliste von 1913 einige Längenmaße. Dabei ist vor allem der Drehzapfenabstand hilfreich, da er von keiner Werkstatt freiwillig oder unbemerkt verändert werden konnte. Die Inventarliste nennt beim Wagen BK 10 einen Auchstand von 7660 mm an - daraus ergibt sich (- 1250 mm Achsstand Drehgestell) ein Drehzapfenabstand von 6410 mm. Das entspricht nicht ganz den Daten, die Dennis Mellerowitz am Wagen DEV 19 nachgemessen hat (6450 mm) - sehr wahrscheinlich handelt es sich um zwei verschiedene Wagen. Also wurde ausgemustert und neu gekauft.
Bei den BK sind bis 1945 vier Personenwagen sicher ausgeschieden:
Wagen 11 "wurde, da eine Instandsetzung unwirtschaftlich war, verschrottet" (Geschäftsbericht der Bielefelder Kreisbahnen 1935/36, S. 2)
Wagen 10 läßt sich im April 1933 letztmalig nachweisen (der Geschäftsbericht 1932/33 nennt alle 14 Personenwagen - also war er noch da) - danach verliert sich seine Spur. Er taucht in Kostenvoranschlägen oder anderen Meldungen nicht mehr auf - sein Abgang wird aber auch nirgendwo explizit genannt.
Der Geschäftsbericht 1936 nennt nur noch 11 Personenwagen. Also sind neben Wagen 11 zwei weitere ausgeschieden. Einer davon ist sicher Wagen 5 - er muß spätestens 1939 abgegangen sein, da er 1939 durch einen Wagen der Kreisbahn Norderdithmarschen mit gleicher Nummer ersetzt wurde.
Wagen BK 2 wurde erst am 16.02.1945 bei einem Bombenangriff auf einen Kleinbahnzug zerstört. Quelle: Brief der Bielefelder Kreisbahnen an Landrat Bielefeld: "Ein Personenwagen erhielt einen Bombenvolltreffer" (Stadtarchiv Bielefeld). Wagen 2 ist auch der einzige Personenwagen, der nach 1945 als Kriegsverlust gemeldet wurde (Meldungen der Kriegsschäden der Bielefelder Kreisbahnen, Stadtarchiv Bielefeld).
Danach wurden zwei Güterwagen provisorisch als Personenwagen hergerichtet und der Wagenmangel bei den Personenwagen nach 1948 durch den Kauf von Wagen aus Minden beseitigt. "Um im Berufsverkehr die Beförderung der Personen in ausgerüsteten Güterwagen zu vermeiden, wurden 3 Personenwagen mit Drehgestellen von den Mindender Kreisbahnen käuflich erworben und in der Werkstatt Enger generalüberholt. Die Wagen sind inzwischen dem Betrieb zugeführt und machen einen guten und verkehrswerbenden Eindruck (Geschäftsbericht der BK 1949/50, S. 1,2).
Die drei Mindener Wagen haben wahrscheinlich die freien Nummern 2 (Kriegsverlust), 10 (Abgang nach 1933) und 11 (zerlegt 1935) bekommen - die originale Umzeichnungsliste ist mir nicht bekannt - die von Schwers auf Borkum notierten ex-BK-Nummern passen aber ganz genau. Und legt man den bekannten Verkauf der übrigen normalen Weyer-Wagen an die OEG dazu (1, 3, 4, 6 und 9), dann ist der Verbleib der Wagen 1-12 geklärt. Wagen 5 endete als Gartenlaube, Wagen 13 und 14 waren Aussenspanten-Wagen und müssen hier nicht bedacht werden.
Wir haben übrigens die Drehzapfenabstände der drei verbliebenen originalen Bielefelder Wagen (7, 8 und 12) mit den Inventarlisten der BK verglichen - hier stimmen die Maße genau - es sind also "echte" Bielefelder.
Offen ist für mich folgende Frage:
Welche Mindener Wagen verbergen sich eigentlich hinter den drei Gebrauchtkäufen aus dem Jahr 1949?
Alle 6 verbliebenen Weyer-Wagen (3 ex Bielefeld und 3 ex Minden) unterscheiden sich in den Dachformen und bei den Drehzapfenabständen - sind also alles Unikate. Es müßte sich mit einer alten Inventarliste der Mindener Kreisbahnen aufklären lassen, zu welcher Serie die Wagen gehören. Hat ein Mitleser solch eine Liste (eine gute Kopie reicht) und kann sie mir zur Verfügung stellen? Die Abschrift in dem Schütte-Buch (S. 83) hilft leider nicht weiter, die abgedruckten Angaben sind offenbar fehlerhaft.
Ich hoffe, mit diesen Erläuterungen niemanden erschlagen zu haben - und hoffe natürlich auch, daß der Gedankengang nachvollziehbar ist. Wenn jemand Fehler findet, bitte ich um Hinweise - und die Mindener Liste wäre natürlich ein Knaller!
Liebe Grüße aus Vlotho,
Christoph Beyer