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Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:21
von wjs
Christian äußerte die Bitte, ich möge in meiner Sammlung kramen:

Bild

Es zeigt die Bundestraße 210. Bzw. deren Vorgänger vor mindestens 100 Jahren. Außerdem kann man den Vorläufer des Restaurants "Alte Post" erkennen.

Und sogar mit Kleinbahnen hat das Bild etwas zu tun: Denn ganz links befindet sich der Bahnhof Ogenbargen der Kreisbahn Wittmund-Aurich-Leer. Die Bahnbezeichnung ist korrekt, denn zum Aufnahmezeitpunkt gab es die Zweigstrecke Ogenbargen-Bensersiel noch nicht. Die Ansicht muß infolgedessen zwischen 1899 und 1909 entstanden sein.

Sie ist deshalb fester Bestandteil eines jeden meiner Vorträge, weil es so schön anschaulich die Verkehrsverhältnisse auf dem Land vor hundert Jahren zeigt. Ostfriesland war dieser Zeit landwirtschaftlich geprägt, es gab keinen nennenswerte Industrie.
Heute ist die B210 eine bestens ausgebaute Bundestraße, deren Haupt"problem" eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h ist.
Vor hundert Jahren mußte der Landwirt sich mit dem Ackerwagen durch die abgebildete Matschpiste quälen. Ich bezweifele ernsthaft, daß selbst ein Erreichen von 8 km/h möglich waren...
Da war natürlich eine Kleinbahn, auch wenn sie nur eine Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht hat, ein lang ersehnter Fortschritt.

Bei der Aufnahme handelt es sich um eine Reproduktion einer Reproduktion einer Postkarte aus der Sammlung der Familie Janssen in Westerloog. Die Familie Janssen hat die Posthalterei (und Bahnagentur) von der Familie Gossel übernommen und zu einem modernen Restaurant und Hotel umgebaut. Dieses Bild hängt in der Gaststube.
Leider ist bei den diversen Reproduktionen das Gasthaus immer mehr in Bildmitte gerückt. "Leider" deshalb, weil dabei die Bahnanlagen am linken Bildrand abgeschnitten wurden! Ich kenne eine bessere Reproduktion, aber sowohl Original als auch Reproduktion sind verschollen.

Aber vielleicht hat jemand aus der Leserschaft Zugang zu einer Originalpostkarte?

Gruß
WJ

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:22
von Christian
Mit der Postkarte kann ich leider nicht dienen, aber ich hoffe Du führst uns trotzdem noch weitere Bilder vor.

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:22
von Forscher
Och nööö, wollen wir uns nicht noch ein paar Sichtungsmeldungen von ICEs schreiben?
NEIN NATÜRLICH NICHT!! Bitte schliess dein Archiv auf,es sind hier bessere Kleinbahnfotos zu sehen als in jetzt geschlossenen Privatbahnforen!
Grinsend der
Forscher

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:22
von Gerhard
Hallo zusammen,
Auch um 1900 und noch früher gab es schon viele gepflasterte Straßen, siehe z.B. die Straßenalleen auf Rügen mit runden Kieseln bzw hier in Westfalen der gefürchtete Blaubasalt oder die Straßen mit sogenannten Sommerwegen, eine Seite gepflastert, eine als Sandweg. Habe ich noch1991 in einem Dorf bei Schwerin erlebt.
Einen Vorteil hatte tatsächlich die Kleinbahn: Die Geschwindigkeit. Wenige Personen konnte eine große Menge an Personen bzw. Güter zu einem moderaten Preis in einer überschaubaren Zeit bewegen.
Nun zu dem Bild , ich glaube man sieht tatsächlich Matsch, aber mir scheint das Schneematsch zu sein.Die Aufnahme ist im Winter entstanden, kahle Bäume und vorne rechts die tiefen Spuren tragen eine Eisschicht. Der Aufnahmezeitpunkt kann in den 1930er oder auch1950-60er Jahren liegen, siehe die weißen Markierungen an den Bäumen, wird auch heute noch als Warnungen für den Verkehr angewendet.
MfG Gerhard aus Lippe

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:25
von wjs
Hallo Gerhard,

vielen Dank für die zusätzlichen Informationen. Es ist der Tat korrekt, daß viele Landstraßen Preußens teilweise gepflastert waren. Wobei aber natürlich die Bedeutung der Straße für den durchschnittlichen Unterhaltungszustand eine Rolle spielte; die gezeigte Straße Aurich-Wittmund war für Aurich weniger wichtig als z. B. die Chaussee nach Leer.
Die Aufnahme muß allerdings tatsächlich vor 1909 entstanden sein, denn für den Bau der Zweigstrecke Ogenbargen-Bensersiel wurde das in der linken Bildhälte sichtbare Gebäude abgerissen, um den Ausbau der Gleisanlagen der Station Ogenbargen zu ermöglichen.

Gruß
WJ

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:26
von Edgar
Wenn ich daran denke, wie es in Ogenbargen heute aussieht!
Wir kommen jedes Jahr auf dem Weg in den Urlaub nach Bensersiel dort durch.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich nie glauben, dass dort mal eine meterspurige Kleinbahn verkehrte. Gut, dass ich das Buch aus dem Kenning-Verlag über die LAW mein Eigen nenne!
Und der Gasthof sieht heute auch ... etwas anders aus (nicht unbedingt besser!)
Gruß
Jürg

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:26
von Regine
Hallo Jürg,

da bist du an der "aktuellen" LAW ja öfter näher dran als unsereins - wir wollten in das ostfriesische Einzugsgebiet auch schon immer mal zu eisenbahnarchäologischen Studien hin...
Find' ich ja besonders interessant, da "dein Vorschreiber" in diesem Beitrag einer der Autoren des von dir genannten Buches ist (er hat sich übrigens am 29.01.2009 hier "vorgestellt" unter "Hallo ..." - ich verrate also keine "Betriebsgeheimnisse" ).

Viele Grüße, Regine.

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:27
von Edgar
Hallo Regine!
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe mich schon gefragt, wie jemand an so ein altes Foto von Ogenbargen kommt.
Ich vermutete aber eher einen Einheimischen ...

Hallo WJ!
Dann schicke ich Dir auf diesem Weg noch einmal ein großes Lob für Dein Buch über die LAW! Es ist fantastisch!
Ich bin immer wieder erstaunt, wie sich Esens, Bensersiel und sein Hafen seit Kleinbahntagen verändert haben!
Ich hoffe, ich darf mich bei Gelegenheit einmal mit ein paar Detailfragen an Dich wenden ... :biggrin:


Übrigens fahren wir in (fast) jedem Urlaub auf der Küstenbahn mit der MKO zwischen Dornum und Norden, sowie zwischen Esens und Sande/Wilhelmshaven. Das ist zwar ursprünglich keine Kleinbahn, sondern eine Nebenbahn, kommt aber teilweise einer Kleinbahn recht nahe. :smile:
Bild
Dieses Jahr hat es leider mit beidem nicht geklappt. Und auf Langeoog waren wir auch noch nicht ...
Gruß
Jürg

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:27
von RobertAngerhausen
Da war doch was!
Gerhards Hinweis möchte ich noch mit einer Zeichnung aus dem HSA-Kleinbahnarchiv untermauern.

Bild

Hier kann man sehr schön diese Art Straße erkennen mit Sommerweg, gepflasterter Fahrstraße und Fußweg.
In Rot eingezeichnet sind die Änderungen durch den Kleinbahnbau!

Re: Warum man Kleinbahnen gebraucht hat

Verfasst: Sa 25. Feb 2017, 20:28
von RobertAngerhausen
Und als kleine Zugabe noch eine Projektskizze der "Haltestelle Heiligenberg" vom Oktober 1899.
Hier führt die Trassierung in Richtung Asendorf auf die Chaussee.

Bild